Mär
10.
Allgemeine Weltseuchenlage und Reiseimpfungen: Was gibt es Neues?
Die Corona-Pandemie ist vorbei. SARS-CoV-2 wird zunehmend zu einem endemischen Thema mit unterschiedlicher Bedeutung in den einzelnen Regionen. Der internationale Reiseverkehr hat sich weitgehend normalisiert, was sich auch deutlich in den reisemedizinischen Sprechstunden bemerkbar macht.
Dengue-Fieber gehört weiterhin zu den weltweit häufigsten Infektionskrankheiten,
hier kann ohne Weiteres von einer im Westen weitgehend ignorierten Pandemie
gesprochen werden. Diese seit Jahrzehnten zunehmende Infektion spielt im Leben
vieler Menschen der Tropen und Subtropen eine wichtige Rolle. Alleine in Brasilien
wurden im vergangenen Jahr mehr als 2,2 Millionen Fälle von Dengue gemeldet. Ende
2022 wurde ein lange erwarteter Impfstoff gegen Dengue zugelassen, der nunmehr in
Deutschland verfügbar ist. Diese Lebendimpfung zeigt hohe Effektivitätsdaten,
gleichzeitig wurde in der extensiven Nachbeobachtungsperiode von über 5 Jahren
kein Sicherheitssignal gesehen. Die Auslösung von Komplikationen bei Kontakt mit
dem Wildvirus ist für Geimpfte also nicht zu befürchten. Diese Impfung wird
sicherlich einen hohen Stellenwert in der reisemedizinischen Praxis bekommen.
Eine wichtige Änderung für die Beratung älterer und chronisch kranker Reisender hat
die Zulassung der 15- und 20-valenten Konjugatimpfungen gegen Pneumokokken
gebracht. Bei der reisemedizinischen Beratung sollten die Vorteile der
Konjugatimpfung herausgestellt werden. Für dieselbe Zielgruppe ist auch der
Totimpfstoff gegen Gürtelrose (Herpes zoster) relevant. Diese ausgesprochen häufige
Infektion kann durch die neue Impfung mit sehr hoher Effektivität verhindert werden.
Für dieses Jahr zu erwarten ist die Zulassung mindestens eines Impfstoffes gegen RSV
(Respiratory Syncytial Virus), der ebenfalls für die Beratung älterer und chronisch
kranker Reisender relevant sein wird.
Weiterhin steht der erste Impfstoff gegen Chikungunya kurz vor der Zulassung. Im
Februar hat die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) eine
epidemiologische Warnung zum aktuellen Ausbruch in Südamerika herausgegeben.
Dies demonstriert einmal mehr die Relevanz dieser Infektion für Reisende
Auch wenn die Fallzahlen durch Zika-Virus insgesamt gesunken sind, breitet sich der
Erreger kontinuierlich weiter aus. Mittlerweile sind nicht nur fast ganz Lateinamerika,
die Karibik und die Südstaaten der USA betroffen. Auch in Asien und Afrika findet Zika
schnell Verbreitung: Hier sind ebenfalls zahlreiche wichtige Reiseziele zum
Endemiegebiet geworden..
Multiresistenz gegen wichtige Antibiotika breitet sich weltweit aus und wurde
bereits als die kommende Pandemie bezeichnet. Ein aktuelles Beispiel für diese
Problematik sind multiresistente Stämme von Typhus-Bakterien, die sich initial vor
allem in Südasien entwickelt haben und seit einigen Jahren in zahlreichen Ländern
auftauchen. Seit 2020 sind hiervon auch die USA und Mexiko betroffen
Tollwut ist eine insgesamt eher seltene, aber stets tödliche Infektion. Mit der
Ausnahme von Neuseeland und der Antarktis werden Tollwutviren weltweit von
Säugetieren übertragen. Insbesondere im südlichen Afrika beobachten wir seit
wenigen Jahren eine besorgniserregende Zunahme der Tollwutfälle.
Die Malariazahlen sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Seit 2020 hat die
WHO mehrfach Warnungen zur deutlichen Zunahme der Malaria in Endemiegebieten
ausgesprochen. So ist zum Beispiel die Insel Sansibar, auf der die Malaria zeitweise
ausgerottet war, wieder zu einem Hochrisikogebiet geworden. In Ostafrika kommt
hinzu, dass mit Anopheles stephensi eine neue Überträgermücke aus Südasien
eingewandert ist, die Malaria auch in Städten übertragen kann. Eine Warnung des
kenianischen Forschungsinstitutes KEMRI im Februar weist darauf hin, dass diese
Mücken erstmals auch in Kenia nachgewiesen worden sind. Eine gute Vorsorge zum
Malariaschutz wird bei Reisen in Risikogebiete wieder wichtiger.
Impfungen werden zu Recht als eine der effektivsten Maßnahmen bezeichnet, die die
Medizin zur Verfügung hat. Angesichts der weltweiten Erkrankungszahlen an impf-
präventablen Krankheiten ist es unverständlich und auch tragisch, dass die Impfraten
in Deutschland in vielen Fällen immer noch unter dem wünschenswerten Niveau liegen.
Die reisemedizinische Beratung bietet hier eine hervorragende Gelegenheit,
Impflücken aufzufrischen. Bei den Reiseimpfungen kann unterschieden werden zwischen Pflichtimpfungen, die zur Einreise in einzelnen Ländern vorgeschrieben sind,
Standardimpfungen, die generell allen Reisenden empfohlen werden, und
Indikationsimpfungen, die in besonderen Situationen angezeigt sind.
Die reisemedizinische Beratung bietet ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis für
den Reisenden, wenn aktuelle Informationen berücksichtigt und die
Vorsorgemaßnahmen entsprechend angepasst werden. Hierzu ist ein Auge auf die
aktuelle Weltseuchenlage wichtig. Lokale Krankheitsausbrüche können zu Epidemien
werden, Einreisebedingungen können sich ändern.
Von: Gastbeitrag Prof.Dr. Jelinek