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    20.

    Blickpunkt Thüringen zur mittelalterichen Reichsstadt Mühlhausen

    Mühlhausen: Stadt der Kirchen und Konflikte

    Vom Löwendenkmal auf dem Stadtberg schweift der Blick über die roten Ziegeldächer von Mühlhausen hinweg in die sanfte Hügellandschaft Thüringens. Heimelig bettet sich die Stadt in das unvergleichliche Panorama. Zahlreiche Kirchturmspitzen stechen aufmüpfig in den Himmel. Schon von weitem signalisieren sie die enge Verbindung von Religion und Bürgerschaft in der 1135 mit Stadtrechten versehenen freien Reichsstadt. Die in den letzten Kriegen unzerstört gebliebene historische Bausubstanz zeigt sich behutsam restauriert und hält viel sehenswertes bereit. Nahezu vollständig erhalten hat sich auch der rund drei Kilometer lange Ring der Stadtmauer, von dem fast 400 Meter begehbar sind. Auch die teils zu Pavillons angrenzender Gärten umgebauten alten Wehrtürme sind zu besichtigen und mit Ausstellungen zur Stadtgeschichte bestückt.

    Eine starke Bürgeropposition für mehr Gerechtigkeit richtete sich zu Anfang des 16. Jahrhunderts gegen die städtische Obrigkeit und geistliche Willkür. Dadurch stieg Mühlhausen zu einem Zentrum der Reformation und des Bauernkrieges in Mitteldeutschland auf. Wie eng die Stadt mit der Leitfigur der Bauernkriege um 1524/25, dem Theologen Thomas Müntzer, verbunden war, demonstriert auch der von 1975 bis 1991 angehängte Beiname „Thomas-Müntzer-Stadt. Vor einem der vier Haupttore der Stadt, dem gewaltigen Frauentor, steht das erste freistehende Denkmal Thomas Müntzers. Der Bildhauer Will Lammert schuf es 1957 aus lokalem Travertin. Im Gegensatz zu Martin Luther bevorzugte Müntzer eine gewaltsame Befreiung. Nach vielen Ortswechseln wurde er 1525 zum Pfarrer der Marienkirche gewählt und zog noch im selben Jahr mit einer großen Schar Mühlhausener Bürger nach Frankenhausen in die Entscheidungsschlacht. Nach dem Sieg der fürstlichen Truppen wurde Müntzer enthauptet.

    Unter den elf Kirchen Mühlhausens ist St. Marien schon von weitem sichtbar. Das fünfschiffige Gotteshaus ist das zweitgrößte in Thüringen und besitzt den mit 87 Metern höchsten Kirchturm des Landes. Erst 1903 wurde er von Friedrich August Stühler, einem berühmten Architekten und Sohn der Stadt, vollendet. Heute beherbergt der eindrucksvolle, im Jahre 1975 säkularisierte gotische Bau eine Begegnungsstätte nebst Museum. Ein eigener Ausstellungsbereich in den Kapellen stellt Thomas Müntzer vor. Weitere Ausstellungszonen widmen sich mittelalterlicher Sakralkunst und der Baugeschichte. Im nächsten Jahr ist St. Marien einer von drei Standorten der großen Landesausstellung, welche die Ereignisse um 1525 beleuchtet. Hier bilden Lebensbedingungen der ländlichen Gesellschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Schwerpunkt. Weiterer Standort der rund 600 Exponate umfassenden Schau wird das in der Kornmarktkirche untergebrachte Bauernkriegsmuseum sein. Die ebenfalls 1975 entwidmete ehemalige Franziskanerklosterkirche zählt zu den bedeutendsten unter den Bettelordenskirchen. Hier werden die Umstände des Bauernkrieges sowie die Umbrüche jener Zeit, deren Akteure und Geschehnisse vorgestellt. Der dritte Ausstellungsteil wird im kulturhistorischen Museum ausgerichtet. Untergebracht in einem ehemaligen Gymnasium im Stile der Neorenaissance wird man sich hier der Deutung und Rezeption der Bauernkriege bis in die Gegenwart widmen.

    Die Verwurzelung der Reformation in enger Verbindung mit ihrer musikalischen Tradition ließen Mühlhausen zu einer bis heute fortwirkenden Pflegestätte protestantischer Kirchenmusik werden. Ein Höhepunkt der Musikkultur ist das Wirken von Johann Sebastian Bach in der frühgotischen Hallenkirche Divi Blasii. Auch wegen der Ausstattung mit eindrucksvollen Glasmalereien vom Mittelalter bis in die Jetztzeit lohnt ein Besuch der Kirche, eine der wenigen, in der bis heute Gottesdiensten stattfinden. Wie eine äußerst vorbildliche Umwidmung aussehen kann, ist in der Jakobikirche zu bewundern, die mit ihrer Doppelturmfassade die Stadtsilhouette nachhaltig prägt. Der 1363 vollendete Bau war einst Zentrum der Aufstandsbewegung und dient seit der 2004 abgeschlossenen Grundsanierung als Stadtbibliothek. In kongenialer Ergänzung wurden im alten Kirchenschiff mehrere Etagen mit Bücherregalen eingerichtet. Archäologische Fenster geben Einblicke in die Baugeschichte.

    Ein weiteres Highlights bildet das in den verwinkelten Gassen der Innenstadt liegende historische Rathaus. Ab 1270 errichtet, lohnt unbedingt der Blick in die Rathaushalle, der mit Holzbohlen verkleideten, um 1370 und 1460 im Stil der Gotik ausgemalten Ratsstube sowie die Gewölbe des Reichsstädtischen Archivs. Wer sich sportlichen Betätigungen nicht verschließen möchte, dem sei ein Besuch der 1998 eröffneten Thüringen-Therme anempfohlen. Das am Rande der historischen Innenstadt günstig gelegene Freizeit- und Gesundheitsbad besitzt eine große Schwimmhalle nebst Saunalandschaft und Restaurant. Auch an der berühmten Thüringer Bratwurst kommt man in Mühlhausen nicht vorbei. Auf einer Anhöhe vor den Toren der Stadt gelegen, entführt das als großer Eventpark mit Zoo, Veranstaltungszelten und Verkostungszone ausgestattete erste deutsche Bratwurstmuseum in die Welt des hochwertigen Lebensmittels. Im Museum vermitteln Maschinen aus der Produktion, Werbemedien und andere Utensilien viel wissenswertes über die 1404 erstmals im Benediktiner-Jungfrauenkloster zu Arnstadt urkundlich erwähnte Wurst sowie dem in der Fleischhauerordnung 1432 ihr auferlegten Reinheitsgebot. Wenn dies keinen guten Appetit auf Mühlhausen weckt?