Mär
10.
Das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) tritt in allen Altersklassen auf und ist
ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren
Atemwege. Bei Säuglingen, insbesondere Frühgeborenen und Kleinkindern , ist RSV ein
bedeutsamer Erreger von akuten Atemwegserkrankungen, wie gerade die laufende
Saison eindrücklich gezeigt hat.
Auch bei älteren Menschen verursacht RSV zum Teil schwere Infektionen der unteren
Atemwege. Wichtige Risikofaktoren für schwere Verläufe sind höheres Alter,
pulmonale oder kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Immunsuppression und
Immundefizienz sowie Diabetes mellitus. Hinsichtlich der Fallschwere ist eine RSV -
Infektion mit der von Influenza vergleichbar. Hinsichtlich der klinischen Releva nz
wurde die RSV-Infektion bis vor Kurzem unterbewertet.
In der Saisonalität ähneln RSV-Infektionen der Influenza. Da RSV weltweit vorkommt,
gibt es Unterschiede im Auftreten zwischen der nördlichen und südlichen Hemisphäre
sowie in tropischen beziehungsweise subtropischen Regionen. Eine Ausnahme der in
Mitteleuropa bisher typischen Saisonalität war in Deutschland die RSV -
Infektionswelle im Sommer 2021. RSV-Infektionen treten zyklisch auf. In Deutschland
ist die Inzidenz von November bis April, insbesondere zwischen der 52. und 8.
Kalenderwoche, am höchsten. In den übrigen Monaten kommen sporadische
Infektionen vor.
Die Übertragung erfolgt in erster Linie durch Tröpfcheninfektion von einer infektiösen
Person auf eine Kontaktperson. Konjunktiven und Nasenschleimhäute bilden die
Eintrittspforte.
Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 8 Tage. Eine RSV-Infektion kann die Symptome von
einer einfachen Atemwegsinfektion bis zu einer schweren beatmungspflichtigen
Erkrankung der unteren Atemwege verursachen oder auch asymptomatisch verlaufen.
Seit dem Nachweis im Jahr 2013, dass das Prä-Fusionsprotein die immundominante
Zielstruktur des Erregers ist, begann die Entwicklung von monoklonalen Antikörpern
sowie aktiven Impfstoffen. Zur Prophylaxe für gefährdete Kleinkinder steht seit
mehreren Jahren der monoklonale Antikörper Palivizumab zur Verfügung. Seit
Kurzem wurde der neu entwickelte monoklonale Antikörper Nirsevimab zugelassen,
durch den mit 5 Monaten eine deutlich verlängerte Protektionsdauer als mit
Palivizumab (28 Tage) erreicht wird. Die Prophylaxe mit Nirsevimab ist laut Zulassung
für Säuglinge konzipiert und richtet sich vor allem an deren Schutz in der ersten RSV -
Saison. Neben der passiven Prophylaxe wurden vor Kurzem auch erste positive
Ergebnisse mit einem bivalenten präF-Impfstoff berichtet, der als maternaler Impfstoff
eingeführt werden soll. Durch die Impfung von Schwangeren im späten 3. Trimenon
kommt es zu einem Anstieg von RSV-Antikörpern. Die impfinduzierten, diaplazentar
übertragenen Antikörper schützen dadurch das Neugeborene für mehrere Monate.
Für Menschen ab 60 Jahren sind aktuell 5 aktive Impfstoff-Kandidaten in Phase-3-
Studien. Bemerkenswert ist hierbei, dass diese 5 Impfstoffe auf unterschiedlichen
technologischen Plattformen basieren. Hierbei handelt es um einen mit AS01 -
adjuvantierten rekombinanten präF3-Impfstoff (GSK), einen rekombinanten
bivalenten präF-Subtyp-A+B-Impfstoff (Pfizer), einen mRNA-basierten Impfstoff
(Moderna), einen modifizierten Vaccinia-Ankara-basierten RSV-Impfstoff mit 5
Antigenen (Bavarian Nordic) sowie einen vektorbasierten Ad26/rekombinanten präF-
Impfstoff (Janssen). Die klinischen Endpunkte der verschiedenen Impfstudien sind
weitestgehend vergleichbar. Für den adjuvantierten rekombinanten präF3-, den
bivalenten rekombinanten präF-Subtyp-A+B- und den mRNA-basierten RSV-Impfstoff
liegen bereits erste Ergebnisse aus den laufenden Phase-3-Studien vor, die eine hohe
Wirksamkeit vor RT-PCR-bestätigten ARI (acute respiratory illness), LRTD (lower
respiratory tract disease) und schweren LRTD demonstrieren. Sowohl die EMA wie
auch die FDA haben für die RSV-Impfstoffe für ältere Menschen ein „fast track“-
Zulassungsverfahren genehmigt. Somit dürften die ersten RSV -Impfstoffe für Ältere
bereits für die nächste RSV-Saison zugelassen sein und zur Verfügung stehen. Aktuell
sind derzeit noch Fragen zur Anwendung der RSV-Impfstoffe, wie zum Beispiel die
Dauer des Schutzes und die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen, offen. Diese
Fragen dürften jedoch durch die noch laufenden Phase-3-Studien beantwortet
werden