Okt
25.
Züssow, Züssow bitte aussteigen... Sie haben Anschluss an den RE nach Berlin.
Kaum haben sich die Türen des völlig überfüllten Bäderexpresses geöffnet beginnt ein Ansturm der Reisenden auf den schon jetzt gut besuchten Zug. Jeder möchte der erste sein und sich noch einen Sitzplatz sichern. Die drei Freunde Peter, Manfred und Axel, die auch auf der Heimfahrt, aber gedanklich noch in den Kaiserbädern sind, werden unsanft mitgeschoben und finden sich in einem hoffnungslos überfüllten Zugteil wieder.
"Willkommen im Alltag", rufen sie einstimmig und während der Zug sich in Bewegung setzt und sich damit immer weiter von ihrem Urlaubsidyll entfernt verspüren sie eine tiefe Wehmut..
Wie schön war es doch auf Usedom und sie vermissen es jetzt schon:
die Natur mit ihrem Waldreichtum, den ländlichen Anwesen, die Kaiserbäder mit ihrer Geschichte und den historischen Villen, das Plätschern der Ostsee, die Spaziergänge am weißen feinsandigen Strand, wo man bei leichtem Wind das Salz auf den Lippen schmecken kann und die frische Luft, die einen genüsslich durchatmen lässt.
Mit viel Mühe finden sie im nächsten Zugabteil noch drei Plätze. Nun nutzen sie die Zeit ihre Eindrücke und Erlebnisse nochmal miteinander zu teilen. Haben sie auch einiges miteinander unternommen, so waren sie doch mit unterschiedlichen Urlaubsvorstellungen auf die Insel gefahren und hatten auch in drei verschiedenen Hotels gewohnt.
Peter der Ältere, ein Geschäftsmann mit ständigem Termindruck wünschte sich einen stressfreien Urlaub in eleganter Umgebung und er berichtet begeistert davon diesen Ort gefunden zu haben:
" In Heringsdorf habe ich im eleganten Ambiente des Maritim Hotel Kaiserhof
meinen perfekten Ort gefunden wo Körper, Geist, Seele zu einem Ganzen werden…
In meinem äußerst geschmackvoll eingerichteten Zimmer mit großzügiger Terrasse und Blick auf die Ostsee fühlte ich mich schnell heimisch.
Das im März 1997 eröffnete Haus verfügt über 124 Doppelzimmer, 6 Suiten, 3 Studios. Zwei Zimmer sind behindertengerecht, die übrigen Zimmer behindertenfreundlich eingerichtet. Außerdem können sich Allergiker hier in Vitalzimmern mit Meerblick wohl fühlen,denn 5 Meerblick-Zimmer mit Spezialausstattung (z.B. Korkfußboden, Allergiker- Bettwäsche, Badewanne mit Sprudel- und Massagewirkung ) stehen zur Verfügung.
Neben einem hervorragend ausgestatteten und top gepflegten Wellnessbereich mit Saunen, Indoor Pool mit frischem Meerwasser, Meeresklima Kabinen und Beautyfarm verfügt das Hotel Kaiserhof über eine eigene kassenärztlich zugelassene Praxis für Physiotherapie.
Fangopackungen, Lymphdrainage,Bewegungsbäder, Kryotherapie (Eistherapie) sowie therapeutische Massagen können auf Rezept mit den Krankenkassen verrechnet werden. Ein Badearzt steht mit dem Haus in Verbindung..
In diesem Hotel würde sich auch meine gehbehinderte Mutter bei einem Kururlaub wohlfühlen.
Als besonderes Highlight habe ich im historischen Konzertsaal das Konzert der von mir sehr verehrten dänischen Sängerin Gitte Hænning empfunden. Aber da wart ihr ja auch dabei und ebenso begeistert von ihrem gekonnt vorgetragenen Repertoire aus Jazz, Blues und dänischen Volksliedern.
Es ist unglaublich mit welcher Empathie sie auf der Bühne steht, die sie vor mehr als 60 Jahren das erste Mal betreten hat. "
Zustimmend nicken die beiden Anderen und Manfred der Literaturprofessor berichtet begeistert von seinem Ausflug in die Stadt Usedom, die der Insel ihren Namen gab. Der Ortskern, der noch mittelalterlichen Ursprungs ist, vermittelt dem Besucher durch seine kleinen Cafes und urigen Geschäfte und restaurierten Häuser einen besonderen Wohlfühlaspekt. Mitten zwischen Peenestrom und Usedomer See findet man Erholung in der Ruhe der Natur.
Die im spätgotischen Stil errichtete Marienkirche ist die einzige verbliebene Kirche in Usedom. Nach Plänen von Ludwig Böttger wurde die Kirche im Jahre 1891 völlig neu gestaltet. Heute besteht die Kirche aus einer dreischiffigen Halle mit polygonalem Chor. In der Kirche finden neben Gottesdiensten auch Kulturveranstaltungen statt.
Bei meinem Besuch in Usedom habe ich dort die Lesung des bekannten Schauspielers Ulrich Noethen genossen, der begleitet von der bekannten japanischen Pianistin Hideyo Harada das von Christian Andersen geschriebene Märchen „ die kleine Meerjungfrau“vorträgt. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt was nicht nur den Pfarrer Chrostof Tiede sondern auch den Intendanten des Usedomer Musikfestivals Thomas Hummel freut. Es war mucksmäuschenstill, denn alle lauschten gebannt der von Ulrich Noethen gekonnt spannend vorgetragenen Geschichte von der kleinen unglücklich verliebten Meerjungfrau, die um Ihren Liebsten zu retten lieber dem Tod entgegen sieht. Die Musik des Komponisten Edvard Grieg, von der Pianistin mit Einfühlsamkeit gespielt rundete das Geschehen als klangästhetisches Erlebnis ab. Es war ein berührendes Erlebnis und die Geschichte geht mir nicht mehr aus dem Sinn.“
„Wie ist die Handlung der Geschicht,?“ will Peter wissen.
„Du kennst das Märchen nicht?“ Und Manfred erzählt:
„Die kleine Meerjungfrau ist die jüngste und anmutigste der sechs Töchter des Meerkönigs. Sie hat, wie alle Meermenschen, keine Füße, sondern einen Fischschwanz. Sie besitzt als einzige die Marmorstatue eines Jünglings, welche im Meer versunken ist. Durch Erzählungen von der Oberfläche („Die Blumen duften und die Vögel singen wunderbar“) weckt ihre Großmutter weiter die Sehnsucht nach der Menschenwelt. Mit fünfzehn Jahren dürfen die Töchter nachts hinauf und am Strand liegen – die älteren Schwestern erzählen ihr Wunderdinge von der lärmenden beleuchteten Stadt, den Vögeln, dem Sonnenuntergang, Kindern und Eisbergen. Als sie endlich selbst das Alter erreicht, steigt sie empor und beobachtet die Matrosen auf einem Schiff – am besten gefällt ihr aber der Prinz mit den dunklen Augen, der gerade seinen sechzehnten Geburtstag feiert. Als das Schiff wegen eines Sturms sinkt, erinnert sich die Meerjungfrau, dass Menschen nur tot auf den Meeresgrund gelangen können, und bringt den Prinzen an den Strand.
Sie beobachtet, wie ein Mädchen ihn findet, und ist traurig, dass sie sich anlächeln – der Prinz weiß schließlich nicht, wer ihn gerettet hat. Die Meerjungfrau findet heraus, wo das Schloss steht, und besucht die Gegend immer wieder. Sie erfährt, dass die Meermenschen im Gegensatz zu den normalen Menschen keine Seele besitzen, die nach ihrem Tod in die Luft aufsteigt – die einzige Möglichkeit, eine solche zu erlangen, ist, von einem Menschen geliebt zu werden. So begibt sie sich zur Meerhexe, die sie bisher stets fürchtete, und lässt sich einen Trunk brauen, der ihr Beine wachsen lässt statt ihres Fischschwanzes. Die Verwandlung ist jedoch unumkehrbar – sie wird nie wieder zu ihrem Vater und ihren Schwestern zurückkehren können. Falls sich der Prinz nicht in sie verliebt, bekommt sie keine unsterbliche Seele und wird zu Schaum auf dem Meere werden. Außerdem muss sie ihre Stimme hergeben. Stumm trifft sie also den Prinzen und wird von ihm in sein Schloss geführt.
Dort bleibt sie bei ihm, aber der Prinz liebt nur das unbekannte Mädchen, das er am Strand sah und für seine Retterin hält. Später stellt sich heraus, dass dieses Mädchen die Prinzessin des Nachbarkönigreichs ist, und der Prinz heiratet sie. Da der erste Sonnenstrahl nach seiner Hochzeitsnacht der kleinen Meerjungfrau den Tod bringen soll, geben ihre Schwestern ihr den Rat, den Prinzen zu töten: Das würde sie wieder in ein Meerwesen verwandeln und retten. Sie bringt es aber nicht fertig, springt ins Wasser und löst sich in Schaum auf. Dabei stirbt sie jedoch nicht, sondern verwandelt sich in einen Luftgeist. Damit hat sie die Möglichkeit, durch gute Handlungen eine unsterbliche Seele zu erlangen und so an dem „ewigen Glück der Menschen“ teilzuhaben.“
„ Eine faszinierende Geschichte bemerkt Peter“
Ja und stellt Euch vor, bei meinem heutigen Strandspaziergang betrachtete ich die Schaumkronen, die von den Wellen angespült wurden und musste wieder an die kleine Meerjungfrau denken und ...“ „ Und dann ist Dir eingefallen, dass Du mit Deinen Freunden auf der schönen Ostseeinsel bist und wir noch Vieles erleben wollen,“ fällt ihm Axel, der Architekt ins Wort. „ Wie war es übrigens beim Abschlusskonzert des Ostsee Musikforums auf Schloss Stolpe?“
„Das war auch ein Erlebnis“, schwärmt Manfred.
Schloss Stolpe war der Stammsitz der Grafen von Schwerin. Das Schloss ist einer der bedeutenden Renaissancebauten in Vorpommern. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Verstaatlichung verfiel das Gebäude zunehmend, doch die Gemeinde und der Förderverein Schloss Stolpe e.V. bemühen sich seitdem um die Restaurierung und eine vielschichtige kulturelle Nutzung dieses Anwesens.
Bei meinem Eintreffen waren die Teilnehmer des internationalen Violoncello Meisterkurses von Prof. David Geringas noch in den einzelnen Räumen des Schlosses bei der Probe.
Doch in dem originalgetreu restaurierten Festsaal, dem Prunkstück des Schlosses erwartete uns Gäste später eine phänomenale Bühnenpräsenz. Die sechs jungen Künstler, der Jüngste war gerade mal 13 Jahre, begeisterten trotz Lampenfieber mit einem außergewöhnlichen, audrucksstarkem Spiel.
Die Violincellisten wurden begleitet von der bekannten in Tokyo geborenen Pianistin Tamami Toda Schwarz. Frau Toda Schwarz unterrichtet an der Musikhochschule Lübeck.
Nach dem Konzert hatte ich Gelegenheit mich mit den jungen Künstlern:
Anastasia Feruleva aus Russland,Emilia Viktoria Lomakova aus der Ukraine, Marie Therese Vollmer aus Mannheim, Michael Polyzoides aus Graz, Paul Lukas Grün aus Stuttgart, Stanislas Emanuel Kim aus Frankreich zu unterhalten. Das war sehr interessant. Es ist schade, dass Ihr das versäumt habt“
„Ja, im nächsten Jahr sollten wir alle gemeinsam dem Musikfestival in Usedom einen Besuch abstatten und nicht nur zusammen die Seeluft und Kulinarik genießen, obgleich es doch im Domkes Fischpavillon oder im Usedomer Brauhaus bei Live Musik bestens gemundet hat und nicht zu vergessen den Genuss der guten „Neuen Pommerschen Küche“, die es im Restaurant 1900 im Aurelia Hotel St. Hubertus zu kosten gibt, “ meint Axel.
Doch nun will ich Euch einiges zur Historie der drei Seebäder erzählen, schließlich hatte ich den hiesigen Lehrer als Gästeführer, was trotz Regen sehr informativ war
Historie….
Seit dem19. Jahrhundert gehören die drei Seebäder Ahlbeck, Heringsdorf, Bansin zu den geschichtsträchtigen Seeheilbädern mit den 3 Seebrücken als Wahrzeichen, wovon die Seebrücke Heringsdorf (erbaut 1891-93) laut kaiserlichem Erlass von 1891 den Namen Kaiser Wilhelm Brücke führen durfte. Diese Brücke wurde durch Brandstiftung 1958 vollständig vernichtet. Wieder aufgebaut zählt sie heute mit ihren 508 Metern zur längsten Seebrücke Kontinentaleuropas.
In den imposanten Villen, die in Anlehnung an französische Renaissancepaläste von Klassizismus bis Jugendstil oder unterschiedlich zusammen gestaltet wurden, verweilten schon Künstler wie Gorski, Tolstoi, Johann Strauss, Theodor Fontane oder die Brüder Mann und genossen die Seeluft und ließen sich von der einzigartigen Atmosphäre inspirieren.
1820 stattete der spätere Kaiser Wilhelm I.(1797-1888) dem Seebad Heringsdorf erstmals einen Besuch ab. 1866 erholte sich die Kronprinzessin Viktoria mit ihren Söhnen, den späteren Kaisern Friedrich III. und Wilhelm II. im „weißen Schloß“, dem ehemaligen Logierhaus des Rittergutsbesitzers Bernhard von Bülow. Das weiße Schloss war die erste Villa des Ortes Heringsdorf. Heute schlemmen in den als Hotel und Restaurant genutzten historischen Räumen Gäste bei Variationen vom Kalb und Gänseleber an Schupfnudeln.
Im 1896 als Schloss erbauten und heutigen Hotel Esplanade zugehörig zur Seetel Gruppe kann man in der orientalischen Wellness Oase relaxen und von den Prinzen von Hohenzollern träumen oder den Weisen des Berliner Operettenkomponisten Walter Kollo lauschen. Beide zählten zu den historischen Gästen des durch seinen Baustil berühmten Palasthotels
Um Mode dreht sich alles in der Villa Oechsler, der heutigen Mode- Boutique „Maison Vogue“. Hier gibt es Exklusive Mode von Escada, Laurel., Bogner u.a.
Die Bauweise — an den Fassaden jeweils ein dreiachsiger Portikus mit Dreiecksgiebel, die zur See gewandte Seite mit 2 Porphyrsäulen, Mosaikgemälde von Salviati in Giebel und Freitreppe, Ostgiebel mit apsisartigem Vorbau mit Balusterattika—ist für architekturbegeisterte schon sehenswert.
Ein weiteres Kulturhiglight habe ich in der Villa Irmgard in Heringsdorf erlebt. Im Stil der Bäderarchitektur ist die Villa errichtet. Sie entstand Anfang des vergangenen Jahrhunderts im neoklassizistischen Stil. Hier lebten und arbeiteten bekannte Persönlichkeiten wie Alexej Tolstoi oder Fedor Schaljapin. Heute ist sie eine Gedenkstätte an den russischen Dichter Maxim Gorki. Während seines längeren Kuraufenthaltes in Heringsdorf richtete er sich das bis heute erhaltene und zu besichtigende Wohn- und Arbeitszimmer ein. In den Ausstellungsräumen auf der oberen Etage gibt es Wechselausstellungen, auch finden hier Lesungen, kleine Konzerte und Theateraufführungen statt.“
Nach diesem Bericht ist es still geworden, jeder hängt seinen Erinnerungen nach. Der Zug wird langsamer, bald ist es Zeit zum Umsteigen, doch alle 3 sind sich einig...
Es waren schöne Tage und sicher war es nicht der letzte Urlaub auf Usedom....
Informationen zum Usedomer Musikfestival:
Das Usedomer Musikfestival ist ein Musikfestival mit dem Schwerpunkt klassische Musik, das seit 1994 jährlich in mehreren Spielorten auf der Insel Usedon stattfindet.
Veranstalter des Musikfestivals ist der Förderverein Usedomer Musikfreunde mit Sitz in Heringsdorf. Das Festival wird überwiegend durch regional ansässige Sponsoren gefördert. Das Usedomer Musikfestival findet im Herbst statt. Die Anziehungskraft der musikalischen Veranstaltungen in der Nachsaison auf in- und ausländische Gäste ist inzwischen ein wichtiger Faktor für die traditionelle Tourismuswirtschaft auf der Insel.
Von: Ilse K. Krämer Bild und Text