Nov
23.
Staunend steht der stattliche Mann in seinem prächtigen historisch anmutendem Gewand vor dem Wandbild an der Fassade des langen Ganges an der Augustusstraße in Dresden. Zögernd geht er an der Fassade auf und ab und betrachtet dabei die Ahnengalerie der Wettiner.
35 Markgrafen, Herzöge, Kurfürsten und Könige, die von 1123 – 1904 mehr oder weniger gut die Geschicke Sachsens beeinflußten sind zu sehen . Der Markgraf von Meissen, Konrad der Große (1123- 1156), führt den Fürstezug der Wettiner an. Unter den abgebildeten Monarchen auf ihren Pferden kann man ihre Namen lesen. Versonnen haften die Blicke auf dem Bild, das August den Starken( Kurfürst Friedrich August I.) und seinen Sohn Kurfürst Friedrich August II. zeigt. Sie erscheinen auf dem Wandbild als Könige von Polen – als König August II. und König August III. Es ist als ob seine Gedanken in weite Ferne schweifen, nur schemenhaft nimmt er einen Mann im Gewand des Nachtwächters wahr. Fragend will er sich ihm nähern, als eine Gruppe Menschen unterschiedlichen Alters an ihm vorbei auf den Nachtwächter zu stürmen. Im schönsten Sächsisch hört er den Mann reden:
“ So viele nu kommt man alle her und stellt euch uff zur Audienz. Ich vertrete heut den August den Starken“ und sein Blick geht zum Georgenbau und der Residenz,
“ in seiner Kammer is es nu dunkel. Hab ihm gegen seine Kopfschmerzen ein paar heiße Komtesschen auf de Brust verordnet“.
Kopfschüttelnd nähert sich der stattliche Mann dem laut lachenden Personenkreis, wo einige nun mehr oder weniger launig die Fragen ihrer Herkunft dem Nachtwächter beantworten. „Wer schreitet denn da so majestätisch in diesem prächtigen Gewand daher . Junker, es dünkt mich in Köln ist wieder Karneval, sagt welchem Verein seid Ihr zugehörig, kommen noch mehr Gefolgsleute und wer seid ihr?
Hoheitsvoll kommt die Antwort ,“ Man nennt mich August.“
„ Ah August der Starke und sicher voll des süßen Weines... Majestät erweisen mir die Ehre meinem Vortrag beizuwohnen ?
Meine Damen und Herren darf ich Ihnen seine Majestät vorstellen.Also.......
August der Starke.....
wurde am 12.5.1670 in Dresden geboren, der Geschichte nach ist er am 1.12.1733 in Warschau verstorben. Er entstammt der albertinischen Linie des Fürstengeschlechts der Wettiner. Er war in seiner Jugend sehr wissbegierig und lernte schnell . Neugierig bereiste er im Alter von 17 fast drei Jahre viele Regionen, von Dresden über Frankfurt, Straßburg, Paris, Spanien, Portugal, England, Holland, München bis Venedig, wobei er seine italienischen, französischen, spanischen Sprachkenntnisse vervollständigte........und bei den Damen, nicht nur im Karneval in Venedig oder am Hofe Ludwigs des XIV in Versaille, äußerst beliebt war. Nach dem Tod seines Bruders Johann GeorgIV. am 27.4.1697 übernahm er zielstrebig und mit Raffinesse gepaart mit 24 Jahren die Regierungsgeschäfte .Für alles Schöne - und auch musisch aufgeschlossen förderte er die Musik, veranlasste eine rege Bautätigkeit und entwickelte eine Sucht des Sammelns von wertvollen , seltenen und schönen Gegenständen.
In diesem Augustinischen Zeitalter galt Dresden als prunkvolle, barocke Kulturstadt. Die prächtigen barocken Bauwerke wie Schloss Moritzburg, der Zwinger, die Frauenkirche, das Taschenbergpalais, das japanische Palais, Schloss Pillnitz oder die Dresdner Gemäldegalerie oder die Schätze im grünen Gewölbe, einem ehemals grün angestrichenen Tresorraum, das er mit anderen Räumen verbinden lässt, so dass das erste Kunstmuseum entsteht, die Errichtung der ersten Porzellanmanifaktur 1710 in Meissen, sind Zeugen der Epoche.
Viel Geld kostete die Hofhaltung, rauschende Feste, auch Maskenbälle wurden im Zwinger gefeiert. Residiert wurde im barockgestalteten Dresdner Residenzschloß, von der Moritzburg aus ging man auf die Jagd und das Japanische Palais galt als Porzellanschloss für die Porzellansammlung.
Viele Händler und Handwerker siedelten sich neu in der Stadt an. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich in seiner Regentschaft sehr schnell, wobei er bei seiner Vorliebe für Frauen sicher nicht unwesentlich dazu beitrug. Mit seiner Gemahlin der Bayreuther Markgräfin Christiane Eberhardine zeugte er nur einen Sohn.
Während er seine „Mätressen-Leidenschaft“ auskostete lebte sie zurückgezogen auf Schloss Pretzsch. Seine langjährige und bekannteste Mätresse Gräfin Cosel, die sich seinetwegen scheiden ließ und ihm-- bevor sie sich seiner Leidenschaft hingab-- ein schriftliches Heiratsversprechen,--- das er sie nach dem Tode der Fürstin zu seiner rechtmäßigen Gemahlin mache,--- abverlangte, fiel bei ihm wegen einer polnischen Gräfin Dönhof in Ungnade. Sie mußte das ihr als Domizil überlassene Taschenbergpalais verlassen und wurde auf Schloss Stolpe verbannt. Er war ein schlechter Politiker, aber wohl ein guter Liebhaber.
Die polnische Krone erwarb er nur weil er heimlich zum katholischen Glauben übertrat. Seinen darüber entsetzten Untertanen in Sachsen gestattete er weiterhin freie Glaubenswahl. August führte ein ausschweifendes Leben und trank gern am Abend bis zu 7 Flaschen Wein.
Veschmitzt den Fremden anschauend beendet der Nachtwächter seine Vorstellung von August dem Starken und auf den Fremden zeigend bemerkt er:
„Nu Majestät ,da ham se sich aber jut jehalten.......“.
Unter tosendem Gelächter wird der Fremde im Kreis der Touristen , die sich dem Nachtwächter auf seinem Rundgang angeschlossen haben ,aufgenommen und aufmerksam lauscht man dem, mit lustigen Anekdoten gespickten, weiteren Vortrag des Nachtwächters.
Vorbei geht es an den Brühlschen Terrassen....
Graf Brühl wurde von August dem Starken im Jahre 1719 an den Hof als Page geholt und schuf sich später als Kammerjunker eine Vertrauensstellung, die er weiter ausbaute zum Kammerpräsidenten und späteren Geheimen Rat.
Nach dem Tod des Kurfürsten kam sein Sohn Friedrich August II an die Macht. Er war ein Schöngeist und hasste das Regieren. Das Musikleben in Dresden erhielt durch ihn eine führende Stellung in Europa. Der Dresdner Hofkapellmeister Hasse und seine Frau, die Sopranistin- Faustina Bordini- verhalfen der italienischen Oper zu Ansehen. Der Kurfürst vertraute Graf Brühl nach und nach alle Ämter an.
1746 wurde Brühl als Premierminister neben Friedrich August II der zweitmächtigste Mann in Sachsen. Brühl wirtschaftet aber in die eigene Tasche. Außenpolitisch emsig tätig , war er ursächlich an der Auslösung des 7jährigen Krieges beteiligt, was Sachsen finanziell endgültig ruinierte und den Freistaat zerfallen ließ.
1763 stirbt Graf Brühl, nach seinem Kurfürsten. Der neue Kurfürst Friedrich Christian beschlagnahmt sofort das betrügerisch angehäufte Vermögen. Seine Regentschaft war nur von kurzer Dauer, denn er starb nach 74 Tagen an den Blattern.
Sein Nachfolger Friedrich August, der Gerechte, verzichtete auf den polnischen Thron und stellte sich während der Napoleonischen Kriege auf die Seite Frankreichs, wofür das Kurfürstentum Sachsen von Napoleon zum Königreich erklärt wurde.
Nach dem Wiener Kongress verlor Sachsen die Hälfte des Landes an Preußen. Eine neue Verfassung unter Anton, dem Gütigen machte Sachsen zur konstitutionellen Monarchie.
Unter Johann kämpfte Sachsen 1866 auf der Seite von Österreich. Nach der Niederlage von Königgrätz folgte der Beitritt zum Deutschen Kaiserreich.
Unter der Regentschaft (1873-1902) des König Albert von Sachsen entstand in Dresden in der heutigen Albertstadt die größte zusammenhängende Kasernenstadt. Der König verstand es mit seiner guten Sozial- und Wirtschaftspolitik und guten Kontakten mit Bismarck und den Kaisern Wilhem I. u.II, sein Land an die neuen Verhältnisse anzupassen.
Dem Nachtwächter eifrig lauschend ist man nun wieder auf der Augustusstraße am Fürstenzug angekommen. Von dem aus 25.000 Meissner Kacheln bestehendenWandbild schauen die Bildnisse der Mächtigen und ihrer Gefolgsleute, die an über 800 Jahren Geschichte beteiligt waren. Der letzte Wettiner, König Friedrich August III. von Sachsen, fehlt auf dem Fürstenzug. Er versuchte seine Rolle als Staatsoberhaupt gut zu machen, paßte sich der modernen Industriegesellschaft an und versuchte Arbeitern , wie auch Studenten gleichermaßen aufgeschlossen zu begegnen. Auch suchte er für soziale Probleme stets eine Lösung .Als ungewolltes Opfer der Revolution dankte er im November 1918 mit den Worten
“ nu dann machd eiern Dregg alleene“ ab...
und das wurde dann auch mit sehr wechselhafter und schicksalsschwerer Politik gemacht.
Der 2. Weltkrieg wurde für Dresden noch im letzten Kriegsjahr zum Verhängnis. Am 13. Februar 1945 wird die herrliche Barockstadt bei einem Bombenangriff zerstört. Fast 40.000 Menschen verlieren ihr Leben, die Anderen ihr Heim. Es folgte ein zweigeteiltes Deutschland und damit noch mehr Leid und Trennung. Auch die freiheitsliebenden Sachsen konnten nun nicht mehr ungehindert reisen .....
Nachdenklich sind sie geworden, die Zuhörer des Nachtwächters.....
Schnell beeilt sich dieser zu versichern..“ aber nu seid der Wiedervereinigung, seit 17 Jahren ist das alles möglich , Ihr braucht uns keene Butter mehr zu schicken un wir schicken Euch auch keenen Dresdner Stollen dafür mehr... den könnt er nu selber hier kaufen., ja un nu könne sellbst de Kölner im Karneval nach Dresden kommen.... Nich wahr, sinne Majestät..?
Lachend und klatschend hält die Menge Ausschau nach dem Fremden... Nichts.....
„ Na, nu is er zu Fuß nach Kölle jonn...“ Lachend zerstreut sich die Menge..
Vom nahen Kirchturm schlägt es 1 Uhr. Der Mond scheint auf das Bildnis August des Starken und eine Sekunde hat der verblüfft dreinschauende Nachtwächter das Gefühl—Majestät nicke lächelnd und knipse ihm wohlwollend ein Auge zu. ..Dann ist es wieder dunkel auf der menschenleeren Augustusstraße.. Nachdenklich geht auch er nach Hause.....
Von: I.K. Krämer