• Jun
    08.

    Blickpunkt Thüringen:

    Zwischen Kirche, Kurkonzert und Kalaschnikow...

    In der weit aufgefalteten Hügellandschaft der Kyffhäuserregion erregt eine seltsame Landmarke Aufmerksamkeit.

    Wie ein Gasometer erhebt sich auf dem Schlachtberg am Ortsrand von Bad Frankenhausen das eigenartige Panorama-Museum. In dem despektierlich als Landsknechttrommel oder Elefantenklo titulierten monumentalen Rundbau befindet sich ein grandioses Gemälde, welches die gesamten 360 Grad der Innenwand des Panoramasaales füllt. Stolze 14,5 Meter hoch, 123 Meter im Umkreis lang bedeckt das gigantische  Leinwandgemälde 1722 Quadratmeter.
    „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ lautet der Titel des vom bekannten
    DDR-Maler Werner Tübke geschaffenen Bildes, das Experten zu den spektakulärsten Projekten jüngerer Kunstgeschichte zählen.
    Nach rund zehn Jahren Arbeit konnte es 1987 vollendet werden. Die dunkle, rötliche warme Saalbeleuchtung bewirkt, dass sich der Besucher als Teil des Bildes anfühlt. In jahreszeitlichem Ambiente und mit über 3000 Figuren werden Grundthemen der Menschheit wie Liebe und Hass, Geburt und Tod, Eintracht und Zwiespalt unter Zuhilfenahme bekannter Motive versinnbildlicht.
    Hintergrund für den Bau der Sixtina des Nordens“ und den Malauftrag an Werner
    Tübke war ein Ereignis vor 500 Jahren.

    In vielen Teilen Deutschlands richtete sich ein Aufstand gegen die hohe Abgabenlast und Machtwillkür geistlicher und fürstlicher Herrscher, der als „Bauernkrieg“ in die Geschichte einging. Basierend auf Auseinandersetzungen um die Salzgewinnung mit den Grafen von Schwarzburg schlugen sich die Bewohner Frankenhausens auf die Seite der Aufsässigen. Nicht genau am Standort des Panoramas, doch nahebei an der Stelle einer heute friedlichen Streuobstwiese, eskalierten am 15.Mai 1525 die  Auseinandersetzungen in einer Entscheidungsschlacht, in der über 6.000 Personen zu Tode kamen. Nach der
    Niederlage der Aufständischen wurde einer ihrer Anführer, der polarisierende und
    radikale Theologe Thomas Müntzer gefangen genommen und hingerichtet. Als
    frühbürgerliche Revolution vereinnahmte die DDR diese Ereignisse ideologisch.
    Von Vorplatz des Baus, den von emotionaler Ausdruckskraft beseelte Figuren der
    Künstlerin Lotta Blokker zieren, hat man einen Blick auf das 10.000 Einwohner
    zählende adrette Bad Frankenhausen. Bis heute bestehen Verbindungen zu
    Streitkräften: Im Jahre 1972 wurde das Bad militärischer Standort.

    Heute sind in den Kasernen weit vor den Toren der Stadt ein Panzer- sowie ein Versorgungsbataillon mit insgesamt über 1000 Bundeswehrsoldaten stationiert.
    Seit Jahrhunderten dominiert jedoch die Salzgewinnung. 1818 wurde der erste
    Kurbetrieb eröffnet; seit 1927 darf man sich Bad nennen. Im Quellgrund entspringen die prädikatisierte Kyffhäuser-Quelle mit 10 Prozent Salzgehalt sowie die Elisabeth-Quelle. Die Becken der Khyffhäusertherme und des Solewasser-Vitalparks werden mit dem salzhaltigen Wasser der Elisabeth-Quelle gespeist. Letzterer ist eine moderne große Freibadelandschaft mit großem Therapiebecken, Kneipptretbecken,Fußreflexionen-Parcours, Inhalier-Pavillon und weiteren Einrichtungen. Bislang ist es das einzige öffentliche Solewasserbad mit ausschließlich biologischer Wasseraufbereitung.
    Große Aufmerksamkeit gilt derzeit dem Wahrzeichen der Stadt, dem die
    Stadtsilhouette nachhaltig prägenden schiefen Turm. Aufgrund des gips- und
    salzhaltigen Untergrundes neigt sich der 1382 errichtete Turm der gotischen
    Oberkirche „Unserer lieben Frau am Berge“ stetig. Mit einem Überhang von 4,60
    Meter übertrifft er sogar den schiefen Turm in Pisa um einen halben Meter. Stolze
    12,5 Millionen Euro werden derzeit in die touristische Erschließung von Kirche und
    Turm investiert. Im Kirchenschiff wird derzeit eine moderne Holzständerkonstruktion eingebaut, die künftig einen Ausstellungs- und Veranstaltungssaal mit Bühne aufnehmen wird. Attraktion des kulturellen Zentrums wird aber die Möglichkeit der Turmbesteigung sein.
    Lohnenswert ist ein Gang durch die schmucke Innenstadt mit großem Anger und
    belebten Marktplatz sowie der Besuch des Regionalmuseums im Schloss
    Frankenhausen. Der im barocken Stil wieder aufgebaute Renaissancebau erhielt sein heutiges Aussehen erst um 2010, als ein neuer Vorbau in kombinierter Glas- und Betonbauweise zur barrierefreien Erschließung angefügt wurde. Hier wird im
    Jubiläumsjahr 2025 eine Sonderausstellung zum Bauernkrieg stattfinden.
    Auch das Panorama-Museum wird mit einer Schau unter dem Titel „Der Welt Lauf“ das Werk Werner Tübkes dialogisch mit hochkarätigen Werken ergänzen. Hinzu kommen Veranstaltungen der Frankenhauser Festspiele sowie eine Nachstellung der Schlacht am Berg mit 1.000 Darstellern, welche am 6 und 7. September 2025 Atmosphäre und Spannung des historischen Geschehens vermitteln werden.